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Was ist Historismus?

 Historismus ist eine kulturelle, kunstgeschichtliche und wissenschaftliche Strömung des 19. Jahrhunderts, die sich durch die Bewunderung und Wiederaufnahme vergangener Stilepochen auszeichnet. Der Begriff bezieht sich sowohl auf die Architektur, Kunst, Literatur als auch auf die Geschichtswissenschaft.

🔹 1. Historismus in der Architektur und Kunst (ca. 1830–1900)

Hier bedeutet Historismus die bewusste Nachahmung oder Mischung historischer Baustile, z. B.:

Stilrichtung

Beschreibung

Beispiel

Neogotik

Wiederaufnahme gotischer Elemente

Kölner Dom (Vollendung 19. Jhd.)

Neorenaissance

Anlehnung an die Renaissance (z. B. Rundbögen)

Alte Nationalgalerie Berlin

Neobarock

Prachtvolle, schwungvolle Elemente

Wiener Staatsoper

Neoromanik

Rundbögen, massive Formen

Votivkirche Wien

Eklektizismus

Stilvermischung aus mehreren historischen Vorbildern

Schloss Neuschwanstein

🔹 Ziel: Durch Rückgriff auf die Vergangenheit sollte Kontinuität, Autorität und Identität vermittelt werden – besonders in einer Zeit großer Umbrüche (Industrialisierung, Nationalstaatsbildung).

🔹 2. Historismus in der Geschichtswissenschaft

In der Wissenschaft meint Historismus (z. B. bei Leopold von Ranke) die Haltung, dass:

  • jede Epoche aus sich selbst heraus verstanden werden muss

  • man Geschichte möglichst objektiv, „wie es eigentlich gewesen ist“ darstellen solle

  • historische Entwicklung nicht nach moralischen oder politischen Maßstäben beurteilt werden dürfe

🔹 3. Kritik am Historismus (bes. im 20. Jahrhundert)

  • Philosophen wie Nietzsche oder Karl Popper warfen dem Historismus vor, starr rückwärtsgewandt zu sein

  • Im 20. Jahrhundert wurde er vom Modernen Stil (Funktionalismus, Bauhaus) zunehmend verdrängt

🔹 Fazit

Der Historismus ist eine stilistische Rückschau und ein Versuch, Vergangenes in die Gegenwart zu übertragen – oft aus dem Bedürfnis nach Stabilität, Legitimität und kultureller Identität.