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EXOTISMUS es gab viele Moden im Bauen Kunst im 19. Jhd. Beispiel China Mode Orientmode.

 Im 19. Jahrhundert gab es in Europa – besonders auch im deutschsprachigen Raum – eine starke Wiederentdeckung und Nachahmung historischer sowie „exotischer“ Kunst- und Baustile, was sich in zahlreichen Moden widerspiegelte. Das hängt eng mit dem Historismus, dem Kolonialismus, der Romantik und der Weltausstellungskultur zusammen. Im Folgenden ein Überblick über wichtige Stilmoden und ihre kulturellen Kontexte:

🏯 Chinamode / Chinoiserie (spät 18. bis 19. Jhd.)

  • Herkunft: Schon im Barock begann die Faszination für das „ferne“ China, wurde aber im 19. Jahrhundert durch bessere Handelskontakte und koloniale Expansion wiederbelebt.

  • Merkmale: Pagodenformen, chinesische Dächer, Lackarbeiten, Drachenmotive, Porzellan, Teehäuser.

  • Beispiele:

    • Pagodenbauten in Gärten (z. B. Englischer Garten in München)

    • Chinesisches Teehaus in Sanssouci (Potsdam)

    • Chinesische Innenräume in Schlössern Ludwigs II.

  • Bedeutung: Ausdruck von Fernweh, Luxus, Weltgewandtheit und Exotik; aber meist kein echtes Verständnis der chinesischen Kultur.

🕌 Orientmode (Orientalismus / Türkenmode)

  • Herkunft: Begeisterung für den Nahen Osten, inspiriert durch Napoleon in Ägypten, Reiseberichte, Opern (Mozarts Entführung aus dem Serail).

  • Merkmale: Kuppelbauten, Minarette, arabeske Dekore, osmanische Kleidung in Porträts, exotische Farben und Formen.

  • Beispiele:

    • Maurischer Pavillon im Linderhofpark (Ludwig II)

    • Bau des „Maurischen Tempels“ in verschiedenen Schlossgärten

    • Orientalische Innenräume z. B. im Schloss Fantaisie (Bayern)

  • Bedeutung: Mischung aus Faszination und kolonialer Projektion; Idealbild eines „sinnlichen, farbigen“ Ostens.

🏛️ Historismus (Neogotik, Neorenaissance, Neobarock, Neoromanik)

  • Herkunft: Rückgriff auf europäische Stilformen aus früheren Jahrhunderten; Ausdruck von Nationalstolz, Bildungsanspruch und Identität.

  • Merkmale:

    • Neogotik: Spitzbögen, Türmchen, Maßwerk (z. B. Votivkirche Wien, Schloss Neuschwanstein außen)

    • Neorenaissance: Symmetrie, antike Säulen, Palastarchitektur (z. B. Neue Pinakothek München)

    • Neobarock: Prunk, Schwung, Theatralik

  • Beispiele:

    • Schloss Neuschwanstein (innen Neoromanik, außen Neogotik)

    • Wiener Ringstraße mit verschiedenen Stilzitaten

  • Bedeutung: Stile wurden je nach Funktion und politischem Kontext gewählt – z. B. Neogotik als „deutsch“ empfunden, Renaissance als „bürgerlich“.

🎭 Exotismus allgemein / Ägyptenmode, Japanmode

  • Ägyptenmode:

    • Nach Napoleons Feldzug und dem Fund der Rosetta-Stele verbreitet

    • Obelisken, Sphinx-Darstellungen, Mumienmotive (z. B. in Friedhofsarchitektur)

  • Japanmode:

    • Ab Mitte des 19. Jhs. (z. B. nach Öffnung Japans) durch Japandrucke, Kimonomode

    • Einfluss auf den späteren Jugendstil (z. B. Asymmetrie, florale Linien)

🎨 Romantik & Fantasiewelten

  • Viele Fürsten schufen „Märchenwelten“ – mit verschiedenen Stilzitaten nebeneinander:

    • Ludwig II. von Bayern (Orientzimmer, Venusgrotte, Neuschwanstein)

    • Gartenarchitekturen mit künstlichen Ruinen, Moscheen, chinesischen Pagoden

  • FFazit: Das 19. Jahrhundert war eine Epoche der Stilpluralität, in der Vergangenheiten und „fremde Welten“ zitiert und inszeniert wurden – nicht nur in der Architektur, sondern auch in Malerei, Möbeln, Oper, Kleidung. Diese Moden waren oft Ausdruck einer Sehnsucht nach dem Anderen, nach Pracht, Tiefe oder Exotik, aber auch Teil kolonialer Weltbilder und Projektionen.